Herzenssache – Wilhelm Busch im Ernst Barlach Haus

(Autor: Detlef Lemme)

Ausflug zum Ernst Barlach Haus im Jenischpark. Ich bin gespannt auf die Malerei von Wilhelm Busch (1832 – 1908), dessen Bilderbücher als Vorläufer der Comics gelten. Wie das von Max und Moritz, den Anarcho-Helden meiner Kindheit, die ihre Auflehnung gegen die Erwachsenen mit dem Leben bezahlten. Von netten Damen an der Kasse bekomme ich mit der Eintrittskarte auch einen Prospekt mit den wichtigsten Daten zur Ausstellung.

Skizze eines Selbstbildnisses, 1885/90, auf Papier/Pappe, 16,8 x 10,9 cm

Darin ist zu lesen, dass Busch seine Bilder immer verborgen hat und sie selbst abfällig nur als „G´schmier” bezeichnete. Die meisten davon hat Busch vernichtet, trotzdem hat er uns mehrere Hundert überlassen. Erst 1908, kurz nach seinem Tod wurden die Schränke und Dachkammern geöffnet und die Bilder in  München, mit großem Interesse und Zuspruch, erstmals ausgestellt. Das Ernst Barlach Haus hat jetzt 70 Bilder und Zeichnungen aus dem Museum Wilhelm Busch in Hannover und von privaten Sammlern ausgeliehen, um den Künstler Busch vor uns und sich selbst zu der verdienten Anerkennung zu verhelfen. Und hier offenbart sich auch wirklich ein ganz anderer!

Das erste Bild der Ausstellung zeigt den Künstler im Selbstporträt. Aber nicht in stolzer Malerpose, sondern zurückgenommen ganz links im Bild, während sein Arm nach rechts zeigt, als wolle er nur auf sein Werk verweisen. Schon jetzt liebe ich die durchdachte Hängung im Ernst Barlach Haus und folge dem Wink des Malers in den zweiten Raum.

Kinder auf Weidenstumpf (Die Geschwister), um 1883, auf Papier/Pappe, 25 x 19,8 cm

Neben einigen Naturstudien findet sich dort auch ein kleines Geschwisterbild: Wie Jupiter und Juno thronen die beiden auf dem Weidenstumpf und schauen pausbäckig, glücklich zum Betrachter. Ich kann verstehen, warum gerade dieses Pärchen zusammen mit dem Motto „Herzenssache” für die Werbeplane an der Fassade gewählt wurde. Ich muss dabei an Spitzweg denken, nur der wäre “akkurater” ans Werk gegangen!

Im Gegensatz zum Autodidakten Carl Spitzweg (1808 – 85) hat Wilhelm Busch mehrere Akademien besucht: in Düsseldorf, Antwerpen und München. Geprägt haben ihn flämische Maler wie Peter Paul Rubens und Frans Hals, deren Malstil haben „für immer meine Liebe und Bewunderung gewonnen” (W.B. „Was mich betrifft”, 1886). Der dritte Ausstellungsraum zeigt Porträts und Genrebilder, die in Beziehung stehen zu seinen Vorbildern. Das Studium in Antwerpen musste Busch wegen einer Typhusinfektion aufgeben. Seine rührigen flämischen Vermieter schenkten ihm zum Abschied eine rote Jacke. (Dazu später!)

 

Kegeljunge, 1875/80, auf Papier/Pappe, 32 x 23,8 cm

Als Wilhelm nach seiner Genesung in München weiter studieren wollte, kam er mit der dort vorherrschenden Mode der Historienmalerei nicht zurecht und brach sein Studium 1854 ab. Dann war er viel unterwegs und widmete sich intensiven Naturstudien. Ein Blatt mit Maikäferstudien von 1853 zeigt die Akribie seiner Beobachtung und Zeichenkunst.

Wenige Jahre später erfand sich Busch als humoristischer Zeichner in den „Fliegenden Blättern” und dem „Münchner Bilderbogen” und 1865 gelang ihm mit „Max und Moritz”, wie es heißt, der „Durchbruch”. Mit zunehmender finanzieller Unabhängigkeit konnte er sich verstärkt der Malerei zuwenden und stand mit wichtigen Malern seiner Generation in Kontakt (Franz von Lenbach, F. A. von Kaulbach).

Der vierte Raum

Sammelbild mit neun Studien, um 1880, auf Pappe, 42 x 60 cm

Der vierte Raum der Ausstellung zeigt neben Landschaften und Genrebildern einen speziellen Typus von Sammelbildern: Hier malt Busch gleich mehrere Bilder auf eins: Landschaften verschiedener Stimmung, Porträts, Bauern mit Kühen. Das schon bekannte Geschwisterpaar auf dem Weidenstumpf thront mittig. Das wirkt wie eine Bestandsaufnahme. Die Einzelbilder werden relativiert und farblich und formal in Beziehung gesetzt. Schön, dass dieses Prinzip auch bei der Hängung benachbarter Bilder im Ernst Barlach Haus angewendet wird! Die Landschaftsbilder zeugen von Buschs Liebe zum einfachen Landleben. Mit groben, ehrlichen Mal-strichen fängt er die Stimmung ein. Die Akribie seiner Zeichenkunst wendet Busch willentlich in seiner Malerei nicht an.

Wiedensahler Pfarrhausk¸che mit Tongeschirr, um 1870, auf Malpappe/Karton, 28 x 40,8 cm

Nur im Bild der Wiedensahler Pfarrhausküche ist alles an seinem Platz: Herd, Regal, Töpfe, Kannen. In warmen Tönen charakterisiert der Pinselstrich treffsicher jeden Gegenstand und haucht ihm Leben ein, als könnte Walt Disney einen Film daraus machen (Zauberlehrling, 1940).

Viel gerätselt wird über die Bauern mit den roten Jacken. Denn die finden sich in zahlreichen Bildern. Sie ziehen den Blick auf sich und bilden einen Kontrast zu den Erd- und Grüntönen in den Landschaftsbildern.

 

Herbstlandschaft, um 1890, auf Papier/Pappe, 12,4 x 13,4 cm

Einmal führt uns ein Bauer mit roter Jacke wie der Maler selbst ins Bild hinein. Manchmal steht oder sitzt er, oder sie, in der Mitte oder links. Dann ist es auch mal eine rote Kuh. Gibt es bei der Verwendung dieses Kleidungsstücks eine Verbindung zum prägenden Erlebnis der gescheiterten Revolution von 1848 oder drückt sich darin die Sehnsucht nach der Studienzeit in Antwerpen aus?

Der letzte Raum

Im letzten Raum der Ausstellung hängen Buschs Landschaftsbilder der späten Jahre (1890 – 95). Hier wird die Landschaft in groben Pinselstrichen zu einer abstrakten Komposition. Dass Busch mit diesen Bilder haderte, kann ich mir aus seiner Bewunderung der flämischen Malerei erklären. Warum hat er sie dann so gemalt?

Durchblick (Skizze einer Landschaft), um 1895, auf Papier/Pappe, 14 x 18 cm

Die Antwort gibt er selber: „Die Versuche, freilich, sind nicht ausgeblieben; denn geschafft muss werden, und selbst der Taschendieb geht täglich auf Arbeit aus” (W.B. „Was mich betrifft”, 1886).

Wie ein Vermächtnis wirkt das letzte Bild der Ausstellung mit dem Titel „Durchblick”. Es ist auch eines der letzten Ölbilder von Wilhelm Busch. Ein roter Bauer sitzt wie ein Buddha rechts in einer Höhle und blickt von dort nach draußen. Und gerade hier zeigt sich auch eine Verwandtschaft zu den ruhig suchenden Plastiken Ernst Barlachs, welche die schöne Ausstellung flankieren.

 

„Herzenssache – Wilhelm Busch malt” läuft noch bis zum 10. Juni 2019. Jeden Sonntag findet um 11 Uhr eine kostenlose Führung statt. Kuratorenführung: “Selbst kann ich das Zeugs nicht empfehlen”. Highlights eines Tiefstaplers, am Dienstag, 14. Mai 2019, 18 Uhr.

Ernst Barlach Haus – Jenischpark
Baron-Voght-Straße 50a
22609 Hamburg
T +49 (0)40–82 60 85
info@barlach-haus.de

Öffnungszeiten: Di – So, 11 – 18 Uhr
Eintritt: 7 € / 5 €, bis 18 Jahre frei

Link zur Ausstellung

Am 18. Mai 2019 ist das Ernst Barlach Haus im Rahmen der Veranstaltung Lange Nacht der
Museen bis 2 Uhr (19. Mai) geöffnet!


Copyright für die Abbildungen:
Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst,Hannover

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