Frauen, Männer. Gender.
(Autorin: Lina C. Samoske )
Ein riesen Fass, das da geöffnet wird – beziehungsweise gleich mehrere. Über Frauen und Männer lässt sich stundenlang und auf allen Ebenen diskutieren und Meinungsverschiedenheiten sind vorprogrammiert. Auch die Themen Sex und Gender regen zu viel Phantasie an.
Hier soll es heute ein wenig um Feminismus gehen, nicht den strengen, wohlmöglich verstaubten, den so viele im Kopf haben, vor dem so viele Angst haben – wobei Hauptsache Feminist*in würde ich sagen. Denn: „Feminist oder Feministin sein heißt nur, man möchte, dass alle Menschen gleichberechtigt sind.“ , so Ninia LaGrande. Das möchte doch heutzutage hoffentlich jeder.
Die #MeToo-Debatte ist beinahe zwei Jahre her. Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass sich seitdem nicht viel oder auch nicht genug getan hat. Manchmal bin ich guter Hoffnung, dass sich bald vieles ändert und manchmal glaube ich, alle springen nur auf diesen Zug auf und jeder lebt weiter so vor sich hin. So ist das wahrscheinlich, wie mit allen Themen: Mal werden sie gehyped, dann geraten sie in Vergessenheit und trotzdem bewegt das Aufpoppen von Diskussionen die Gesellschaft immer ein wenig – immerhin.
In jedem Fall wird wieder mehr über Frauen, Gleichberechtigung und Sexismus gesprochen. Auch wenn sich in der Politik mehr und vor allem, viel schneller etwas ändern muss. Dazu fallen mir Themen ein, wie § 219a (Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft), Luxussteuer auf Periodenprodukte – schöne Petition vom April 2019 im Übrigen „Unterschreibe für die Scheide.“, Frauenquote und so weiter und so fort.
Feminismus finden wir im Internet, auf der Straße, in Bücherregalen, in Filmen, mehr oder weniger in der Politik und hoffentlich bald vermehrt in der Realität. Mir fallen reichlich Themen ein, die ich dazu behandeln könnte: Die deutsche Sprache und warum gegendert werden sollte. Sexismus in der Werbung und warum das verboten gehört. Und so weiter und so fort.
Ein Buch für (Noch-)Nicht-Feministen*innen
Ich habe ja aber versprochen, sanft anzufangen. Eine moderne Feministin habe ich – wo auch sonst – im Internet „kennengelernt“: Sophie Passmann. Die 25-Jährige ist Radiomoderatorin, schrieb für die „Jolie“, arbeitete für das „Neo Magazin Royale“, ist seit Anfang des Jahres beim Zeitmagazin und brachte dieses Jahr das Buch „Alte weiße Männer: Ein Schlichtungsversuch“ heraus.
Ich habe mir das Buch als Hörbuch gekauft, da ich viele Auto- und lange Bahnfahrten vor mir hatte. Mit etwas mehr als 5 Stunden kam mir das Buch allerdings recht kurz vor. Für eine Fahrt von Hamburg nach Frankfurt aber durchaus zu empfehlen. Es verlangt keine hohe Konzentration, kein Hintergrundwissen oder besonders hohe Aufmerksamkeit.
Das Buch möchte die Themen Feminismus und Sexismus behandeln, tut es auch, allerdings wirklich sanft. Vorab stellt Sophie Passmann sich die Fragen, wann ein „Alter weißer Mann“ alt und weiß ist. Ob es wirklich etwas mit dem biologischen Alter und der Hautfarbe zu tun hat. Sie wollte herausfinden, wann ein mächtiger Mann zu einem „Alten weißen Mann“ wird und – was sie wichtiger fand – ob dieser Schritt zu verhindern sei. Eingangs erwähnt sie, dass sich ernsthafte Feministinnen von dem Gedanken, beliebt zu sein, frei machen müssen. Feminismus muss unter Anderem radikal, anstrengend und lästig sein so Passmann. Um ehrlich zu sein, finde ich dieses Buch nicht anstrengend. Weder ist es radikal geschrieben, noch scheinen die geführten Interviews mit den 16 mächtigen Männern ernsthaft anstrengend gewesen zu sein. Nach einer kleinen Einführung, einem netten Vorwort, in dem erläutert wird, worum es in dem Buch gehen wird, beginnt es also.
Das Buch besteht im Grunde aus einer Aneinanderreihung von Gesprächen mit europäischen, weißen Männern aus der Politik und Medienwelt. Sophie Passmann kann gut schreiben, kann die Szenen bildlich darstellen, bedient sich oft Klischees und fällt meiner Meinung nach zu häufig in eine sehr passive Rolle. Aufgrund der beobachten Position, geriet ich in eine Erwartungshaltung, die eine Auflösung forderte. Vielleicht wird noch etwas aufgedeckt, vielleicht ist der letzte Satz, die letzte Antwort entscheidend, vielleicht kann die Autorin etwas für mich zwischen den Zeilen lesen.
Ich erwartete außerdem einen Spannugsbogen. Glaubte, dass die ersten Treffen seicht und charmant verlaufen, die weiteren Verabredungen aber konkreter, intimer und bissiger werden. Es gibt Passagen, in denen ich Hoffnungen hatte. Im Gespräch mit den Interviewpartnern kommt es aber nie wirklich zu hitzigen Diskussionen. Eine finale Definition des „Alten weißen Mannes“ eine Erklärung, warum Feminismus so wichtig ist, warum es noch brandaktuell ist, gibt es leider nicht. Das Buch löst in mir spannende Denkansätze und Fragen aus, die Antworten des Buches sind aber keine Neuen, sondern belegen im Grunde nur, was man aus der „weißen Männerwelt“ bereits weiß, erahnt oder selbst schon erfahren hat. Es fehlt das „Aha-Erlebnis“. Vielleicht ist Sophie Passmann aber auch noch selbst auf der Suche nach diesem Erlebnis und nimmt uns mit auf ihre Reise.
„Alte weiße Männer“
Der Titel ist ansprechend, sicherlich provokant und hat vielleicht auch so zum Erfolg geführt. Der „Alter weiße Mann“ ist ein Mann, dessen Alter und Hautfarbe im Grunde irrelevant ist. Es sind Männer, die wegen ihres Geschlechts und ihrer Hautfarbe, ihres Verhaltens privilegiert sind. Menschen anhand eines angeborenen Merkmals zu klassifizieren, ist aber genau genommen rassistisch und nicht feministisch
Das Buch ist schön geschrieben und das Hörbuch von Sophie Passmann selbst gelesen und unterhaltsam. Mit tief gehendem Feminismus hat es jedoch wenig zu tun. Das ist nicht schlimm, man sollte es nur vorab wissen. Da die Autorin eine durchaus bekannte Netz-Feministin ist, hätte ich ein für mich interessanteres Buch erwartet.
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