Mein besonderes Opernerlebnis
(Autorin: Ruth Gildemeister)
„Orphée et Eurydice“ in der Hamburger Staatsoper
Ich war gespannt auf diese Aufführung der bekannten Oper von Christoph Willibald Gluck, sollte es doch eine Mischung aus Musikdrama und Ballett sein. Und ich war begeistert!
Mit dieser ungewöhnlichen Inszenierung an der Hamburger Staatsoper hat sich John Neumeier auch selbst ein Geschenk gemacht: Im Februar feierte der berühmte Hamburger Ballett-Chef seinen 80. Geburtstag. „John Neumeier ist es, der den Opern-Abend zu einem rauschenden Fest der Sinne macht. Alles ist höllisch gut“, so das Urteil der Presse, „Tanz, Chor, Orchester und ein beeindruckendes Bühnenbild sorgen für ein gelungenes Gesamtkunstwerk.“
Bereits im Jahr 2017 hatte John Neumeier erstmals in den USA an der Lyric Opera Chicago für diese Oper die Opernregie in Kombination mit Choreografie sowie Bühnenbild, Kostüm- und Lichtdesign übernommen. Er ermöglichte so eine faszinierende Verschränkung der Kunstsparten Ballett und Oper. Und diese Produktion wird nun auch an der Hamburger Staatsoper gespielt: Ein Opernerlebnis, das einem lange im Gedächtnis bleibt und nachhaltig begeistert.
Worum geht es?
Liebe, die den Tod besiegt, das ist ein zeitloser faszinierender Mythos. In John Neumeiers Version der Oper ist Orphée ein bekannter und genialer Choreograf. Eben noch herzt er in der Probe seine Primaballerina Eurydice, um sich dann wenig später heftig mit ihr zu streiten. Wütend verlässt sie Hals über Kopf die Probe, setzt sich in ihr Auto, verunglückt und stirbt.
John Neumeier legt für seine Inszenierung die Pariser Opernfassung von 1774 zugrunde, in der der Komponist Christoph Willibald Gluck (1714 – 1787) ausdrücklich eine Vielfalt von Tanzszenen vorsah. Und das ist ganz im Sinne des Ballett-Chefs, der in dieser bemerkenswerten Inszenierung nicht nur für die Choreografie, sondern auch für die Inszenierung, das Bühnenbild, die Kostüme und das Licht verantwortlich ist.
Orphées große Trauer
Orphée betrauert den Verlust seiner geliebten Eurydice. Man folgt gebannt den schwarz gekleideten Tänzerinnen und Tänzern des Hamburger Balletts, die mit grazilen Bewegungen, fliegenden Armen und zusammensinkenden Körpern die Trauer verkörpern. Eurydice dagegen ist im Reich der Toten zum Schweigen verdammt. In seiner großen Trauer hilft ihm sein Bühnengehilfe Amor. Er, als Junge gekleidet, jedoch von einer Frau gesungen, informiert Orphée, dass die Götter ihm eine Chance geben, seine geliebte Eurydice im Reich der Toten zu besuchen.
Orphée steigt hinab zu den Toten
Man ist fasziniert von der Verwandlung von Arnold Böcklin‘s Gemälde „die Toteninsel“: Die romantische Burgkulisse zerlegt sich in drei Teile zu einem abstrakten Raum. Hier will Orphée in das Reich der Toten hinabsteigen.
Doch der Weg wird ihm erst einmal versperrt. Tänzerinnen und Tänzer schweben als Furien in langen, fließenden Gewändern. Und wahrlich schaurig ist der Auftritt der drei gepanzerten, mehrköpfigen Wächter, die durch ihre Sprungkraft und die tänzerische Ausdruckskraft auch Orphée erschauern lassen.
Doch schließlich hat er es geschafft und gelangt ins Elysium, auf die Insel der Glückseligen. Hier ist dann alles licht und freundlich mit zarten, weiß gekleideten Geistern.
Orphée und Eurydice begegnen sich
Es kommt zur Begegnung der Lebenden und der Toten- so, wie es von Amor vorhergesagt worden war: Orphée trifft seine geliebte Eurydice, schaut sie aber nicht an, weil ihm das verboten wurde. Sie zweifelt daraufhin an seiner Liebe, schmachtet ihn an. In seiner Verzweiflung blickt er dann doch kurz zu ihr hinüber, woraufhin sie verstummt und von den Schatten des Todes fortgetragen wird.
Orphée bleibt allein zurück
Zurück in seiner Kammer stimmt Orphée sein berühmtes Klagelied an und will sich im Tod mit seiner Geliebten vereinen. Doch Amor greift ein: „In meiner Fassung“, so John Neumeier, „bleibt Eurydice in Orphées Bewusstsein lebendig – inspiriert durch Amor. Er ist für mich Orphées Assistent, der versucht, ihm durch poetische Bilder in seinen Arien eine gedankliche Richtung zu geben. Amors Worte beziehen sich immer wieder auf mystische Ereignisse. Für den Künstler Orphée wird dies zum Impuls, Eurydice durch sein Werk gleichsam ewiges Leben zu geben. Daher endet meine Fassung der Oper mit einem „imaginären Ballett“, in dem Eurydice die Hauptfigur ist…“.
Diese Mischung von Musikdrama und Ballett – ein gelungenes Experiment, das fasziniert und begeistert. Eine Aufführung, die man sich ansehen sollte, wenn man Musik, Opern und Ballett liebt. Sehr geeignet auch als Geschenk zu Weihnachten.
Die nächsten Vorstellungen von „Orphée und Eurydice“ finden in der Hamburger Staatsoper an folgenden Terminen statt:
21.01.2020
24.01.2020
29.01.2020
01.02.2020
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!