Mareice Kaiser: Das Unwohlsein der modernen Mutter

(Autorin: Lina Samoske)

Als Mareice Kaiser versuchte, ihr zweites Buch an einen Verlag zu bringen, bekam sie erst mal eine Absage. Die Zielgruppe habe zu wenig Zeit und greife ja sowieso eher nicht zum Buch, hieß es darin. Umso schöner, dass „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ nun ein Bestseller geworden ist.“ (Berliner Zeitung, 10.05.21).

Und auch dieser Artikel sollte schon längst geschrieben und erschienen sein, aber wie es einer Mutter eben meist ergeht: Es fehlt die Zeit für so Vieles. Frauen und Mütter wollen und tun heute quasi alles, Erwerbs-, Carearbeit und was das Leben eben sonst noch so zu bieten hat. Müssen sie ja nicht, könnte man jetzt sagen. Doch müssen sie!

Was für ein Gefühl

Haig, Matt: Die Mitternachtsbibliothek München: Droemer 2021, 318 Seiten ISBN: 9783426282564

Der Buchtitel „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ sprach mich sofort an. Das Gefühl des Unwohlseins drückt aus, dass irgendetwas nicht stimmt, dass man sich als Mutter eben irgendwie unwohl fühlt, obwohl doch eventuell sogar alles gut scheint – Kind gesund, Dach über dem Kopf, vielleicht sogar in einer gesunden Beziehung lebend. Dieses Gefühl ist nicht wirklich greifbar und dennoch ist sofort klar, es sollte nicht bleiben.

Dieses Unwohlsein, so Kaiser liegt an der fehlenden Gleichberechtigung. Männer und Frauen sind (noch lange) nicht gleichberechtigt und aus dem Grund befinden sich viele Frauen gerade in der Situation, alle Aufgaben zu übernehmen: „Versorgerin, Businesswoman, Mom I’d like to fuck – Mütter sollen heute alles sein.“ (ZEIT) Die falsche Vorstellung unserer Gesellschaft darüber, wie Mütter zu sein haben, löst einen enormen Druck und am Ende eben ein Unwohlsein aus. Natürlich wird in vielen Hetero-Beziehungen scheinbar gleichberechtigt gelebt, trotzdem ist es oft nicht bis in kleinste Detail möglich. Das liegt an einer familienunfreundlichen Politik, wie Mareice Kaiser sagt. Die letzten anderthalb Jahre haben das deutlich gezeigt. Pflege- beziehungsweise Carearbeit wird entweder gar nicht oder nur gering entlohnt. Und selbst, wenn diese Arbeit wertgeschätzt wird, kann davon allein keine Miete gezahlt werden.

Mareice Kaiser geht genau diesem Thema auf den Grund und prangert die Fehler im System an, macht teilweise Verbesserungsvorschläge, zeigt aber vor allem die Diskriminierung der Frauen in unterschiedlichsten Bereichen. Ihr Buch ist eine Mischung aus einem autobiographischen Teil, aus geschichtlichen Hintergründen und Erfahrungsberichten Anderer. Die Mischung der Textarten mag für viele angenehm sein, als Hörbuch hat es für mich leider nicht funktioniert. Die Autorin nahm mich mit in ihre Welt. Kaum war ich da angekommen, ging es um Fakten und andere Mütter oder Geschichten. Das riss mich leider auf aus dem angenehmen Hörgefühl heraus. Ob das beim Lesen des Buches anders ist, kann ich nicht beurteilen.

Inhaltlich dachte ich oft: „Ja, stimmt. Der Meinung bin ich auch.“ oder „Wahnsinn, daran habe ich ja noch gar nicht gedacht.“ Mareice Kaiser beleuchtet viele Seiten des Mutterseins und auch des Frauseins und recherchiert zu etlichen Themen. Da ich eine Frau und Mutter bin, habe ich das Buch in eigenem Interesse gehört. Mit vielen Themen konnte ich mich zwar nicht identifizieren, trotzdem ist es natürlich richtig und wichtig, auch von diesen zu erfahren. Und auch wenn sich das Buch nicht wie ein Roman oder leichtes Sachbuch hören lässt und die ein oder andere Stelle vielleicht uninteressant oder zäh wirkt, kann ich es – vor allem jungen Müttern – empfehlen. Denn auch wenn ich als Hörerin natürlich ein anderes Leben lebe, konnte ich mich an vielen Stellen und Themen wiederfinden. Das liegt daran, dass der Druck der Gesellschaft und die Diskriminierungserfahrungen vieler Frauen oder Mütter eint.

Nicht gleichberechtigt

Das Buch hinterlässt einerseits das Gefühl von: „Es geht voran. Meine Kinder könnten schon viel gleichberechtigter leben als ich.“ Und:„Solange die Männer keine Gleichberechtigung wollen, kommen wir Frauen da nicht raus und sind quasi weiterhin machtlos.“ Denn diese Probleme gibt es nicht erst seit 30-40 Jahren. Sie sind Jahrhunderte alt und lassen sich deswegen auch leider nicht so leicht und schnell lösen.

Betrachten wir das doch zum Beispiel einmal das Gendern. Warum sind mit männlichen Bezeichnungen auch Frauen gemeint, warum ist es nicht umgekehrt bzw. warum tun sich viele mit dem Gendern bzw. dem Erwähnen von Männern und Frauen so schwer? Es ist erschreckend, wie oft Frauen vergessen oder ignoriert werden. Das liegt an der von Männern – schlimmer noch von alten weißen Männern – gemachten Strukturen. Es ist traurig, wenn Mareice Kaiser von Faktoren der Benachteiligung spricht und Frau-Sein einer davon ist und Mutter sein ein zweiter. Eine schwarze, lesbische Mutter hat quasi ein vierfach höheres Risiko, diskriminiert zu werden als ein weißer Mann. Das zu durchbrechen kostet Zeit und Kraft und die Anstrengung Vieler!

Besonders Männer sollten sich viel häufiger mit den Sichtweisen der Frauen beschäftigen. Wer also Lust auf ein wenig Input hat – ob Mann oder Frau – sollte auf jeden Fall mal in das Buch „Das Unwohlsein der Mutter“ reinhören oder lesen. In jedem Fall ist es wichtig und richtig, dass Themen wie diese immer wieder aufgegriffen werden und einen Weg in die Öffentlichkeit finden.

0 Kommentare

Ihr Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert