„Perry Rhodan – das größte Abenteuer“ von Andreas Eschbach

(Autor: Dr. Jochen Brems)

In Interviews kommt er stets rüber wie der nette Nachbar von nebenan: Andreas Eschbach, Jahrg. 1959, der mit seinen Romanen und Kurzgeschichten zu den erfolgreichsten europäischen Autoren in den Bereichen „Wissenschaftsthriller“ und „Science Fiction“ zählt. Sowohl seine Themenwahl als auch seine Art des Auftretens mögen mit seiner Vorbildung zusammenhängen, denn tatsächlich studierte Eschbach zunächst Luft- und Raumfahrttechnik und gründete ein Software-Unternehmen, bevor er sich hauptberuflich der Schriftstellerei zuwendete.

Autor Andreas Eschbach, Foto: Robert Kneschke

Seinen Durchbuch erlebte er 1998 mit seinem Roman „Das Jesus-Video“, einer später auch verfilmten Zeitreisegeschichte, worauf Titel wie „Eine Billion Dollar“, „Ausgebrannt“ oder „Herr aller Dinge“ folgten. Zu den wichtigsten Werken seines Schaffens im Bereich der Science-Fiction zählen sein Debütroman „Die Haarteppichknüpfer“, aber auch „Quest“ oder „Solarstation“. Allen Romanen gemeinsam ist aus meiner Sicht, dass sie ausgesprochen sorgfältig recherchiert, in gut lesbarer Sprache verfasst und gleichzeitig bemerkenswert fantasievoll angelegt sind.

Als seit vielen Jahren begeisterter Eschbach-Leser war ich zunächst erstaunt darüber, als ich die Ankündigung seines Verlages las, dass er sich n seinem neuesten Werk mit „Perry Rhodan“ beschäftigt hat. „Das sind doch diese Science-Fiction-Billigromane in Heftformat, von denen mein Vater eine beachtliche Sammlung auf unserem Dachboden beherbergte“, dachte ich mir. Und ich muss zugeben: als Liebhaber doch irgendwie etwas anspruchsvollerer Literatur hatte ich bisher um „Perry Rhodan“ einen Bogen gemacht. Wenn nun aber Andreas Eschbach sich dieser Figur zuwendet, könnte es ja vielleicht doch ganz vergnüglich sein, sich diese Romanreihe einmal genauer anzuschauen.

 

Wer oder was ist Perry Rhodan?

Meine spontane Antwort: ein bemerkenswertes literarisches Phänomen! Perry Rhodan ist der Titelheld einer deutschen Science-Fiction-Serie, die in Form von wöchentlichen Heftromanen erstmals am 8. September 1961 erschienen ist und bis heute (!) wöchentlich mit einer Auflage von ca. 80.000 Stück verkauft wird. Mittlerweile hat die Zahl der Romane die 3.000 überschritten, was in ihrem Umfang – trotz ihrer relativen Kürze von jeweils 50 – 60 Seiten – ungefähr 560 Harry-Potter-Romanen entsprechen würde. Wer aber – so wie ich – den Versuch unternimmt, in einen mehr oder weniger aktuellen Titel der Serie einzusteigen, muss mit Verständnisschwierigkeiten rechnen. Zu ausgedehnt und ausgefeilt ist diese „Space-Opera“, zu zahlreich die verschiedenen Völker und Protagonisten, als dass man die Zusammenhänge verstehen und der Geschichte sonderlich gut folgen könnte.

 

Wie alles begann

Abhilfe schafft nun Andreas Eschbach mit seinem aktuellen Roman „Perry Rhodan – das größte Abenteuer“, der im Untertitel ebenso gut „wie alles begann“ hätte heißen können. Denn tatsächlich handelt es sich – wie man heute sagt – um ein Prequel der Romanserie. Wie wurde aus Perry Rhodan, einem Sohn deutscher Einwanderer in Massachusetts, diese außergewöhnliche Gestalt? Ich meine, genau hier zeigt sich wieder die besondere Begabung von Andreas Eschbach, denn er schreibt dafür die fiktive Biografie einer Kunstfigur, die er äußerst detailliert in den gesellschaftlichen und politischen Kontext der 40er, 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts einwebt.

Andreas Eschbach, Perry Rhodan – Das größte Abenteuer, FISCHER Tor, ISBN-10: 3596701457

So erfahren wir – neben der persönlichen Entwicklung des Helden – viel über die amerikanische Befindlichkeit in Bezug auf Rassismus, die geopolitischen Spannungen zwischen den Machtblöcken USA und der späteren Sowjetunion, vor allem aber über den „Rüstungswettkampf“ von Ost und West in Sachen „Weltraumforschung“. Der Leser ist ebenso dabei, wenn Martin Luther King seine berühmte Rede hält oder wenn sich 1968 die Studenten in Frankreich blutige Straßenschlachten mit der Polizei liefern. Eng damit verbunden verfolgt der Leser die Karriere des jungen Perry Rhodan, zunächst während seiner Ausbildungszeit in Westpoint, dann als Testpilot und schließlich als Mitglied einer geheimen Eliteeinheit, die parallel zu den Raumfahrprojekten der NASA eine sogenannte „Space-Force“ begründet. Deren Aufgabe ist es, vor allem den militärischen Nutzen der Raumfahrt voranzutreiben. Genau an dieser Stelle biegt Eschbach von den historischen Fakten ab und schafft eine erfundene, aber gleichermaßen spannende Faktenwelt, in der es einen Unfall bei einem bemannten NASA-Mondflug gibt und das Eingreifen der Space-Force erforderlich macht.

Man könnte also sagen, dass der Roman zweigeteilt ist, nämlich in einen ersten Teil, der sich sehr eng an die Begebenheiten der Zeitgeschichte hält und durch den in der Person von Perry Rhodan eine Art Technik- und Sittengemälde gezeichnet wird, und in einen zweiten Teil, in dem sich das Sci-Fi-Potenzial des Helden und der Geschichte an sich entfaltet. Das führt dazu, dass der Großteil des Romans ohne die besondere Terminologie des „Rhodan-Universums“ auskommt und erst sehr spät einige technische Begriffe der späteren Romanfolge eingeführt werden. Damit kommen, wie ich meine, alle Leser auf ihre Kosten – eingefleischte Sci-Fi- und Rhodan-Fans ebenso wie diejenigen, die das Lesen eher traditioneller Romantypen gewohnt sind. Auf jeden Fall schafft es Eschbach, die Figur Perry Rhodans im Laufe der Geschichte sehr behutsam mit dem auszustatten, was ihn später als den „unsterblichen Anführer“ der Terraner auszeichnen wird.

 

Über Länge lässt sich streiten

Nun mag man es mögen oder nicht – ich meine, dass Eschbach mit diesem umfangreichen Epos (immerhin gilt es, 845 eng beschriebene Seiten zu lesen) ein großer, vielleicht sogar sein größter Wurf gelungen ist. Denn er schafft es nicht nur, die reale und eine fiktive Welt auf spannende Weise miteinander zu verknüpfen, sondern er schafft es auch (zumindest nach Meinung der Perry-Rhodan-Community), die unendlichen Details der 3000-bändigen Reihe so zu filtern, dass keine logischen Brüche mit den bereits existierenden Rhodan-Büchern entstehen. Das mag bestimmt auch daran liegen, dass Eschbach zuvor bereits sechs Gastromane in der Perry Rhodan Reihe verfasst und dabei auf eine liebevoll gepflegte „Perry-Pedia“ zurückgreifen konnte.

Sicher, man kann darüber streiten, ob dem Roman nicht vielleicht hundert bis zweihundert Seiten weniger gut getan hätten… Wer aber durchhält, weiß hinterher nicht nur eine Menge mehr über die einzelnen Stationen der Weltraumforschung, sondern der bekommt vielleicht sogar Lust, sich auf die fantastische Welt der Perry Rhodan Romane einzulassen. Und da liebe Leserinnen und Leser, wartet nun wirklich ein unendliches Universum mit einem fast genauso unendlichen Lesestoff auf Sie.

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