4. Advent – Weihnachten 2020

(Autor: Dr. Jochen Brems)

An das wir uns alle erinnern werden

Jetzt steht es also wieder vor der Tür – das Weihnachtsfest in diesem denkwürdigen „Corona-Jahr“. Für viele Menschen, die ich kenne, bedeutet der Lockdown einen Bruch mit ihren bisherigen Feiertraditionen. Wo sich bisher Großfamilien versammelt haben, soll und muss es nun sehr viel ruhiger zugehen. Auch bei uns fällt das traditionelle Familientreffen am 2. Weihnachtstag bei meinen Eltern aus. Das ist bestimmt richtig so, aber gleichzeitig wird mir immer bewusster, wie kostbar diese Begegnungen sind – insbesondere dann, wenn die eigenen Eltern zunehmend hochbetagt werden. Dazu gäbe es noch viel zu sagen, aber viel lieber versetze ich mich jetzt in meine Kindheitsgefühle zurück.

Roland Knauer, Kerstin Viering, Die großen Entdecker, mareverlag, ISBN: 3866481640

Und da gibt es vielleicht eine kleine Besonderheit, die mir sofort einfällt, wenn ich an Weihnachten denke: am meisten – und das ist eigentlich bis heute so – habe ich mich schon als Kind über Buchgeschenke gefreut! Das ging schon damit los, dass die Bücher unter dem Weihnachtsbaum nicht nur so schön eigepackt, sondern eben auch ganz neu waren – mit einem ganz perfekten Cover und Seiten, die so wunderbar neu und intensiv gerochen haben. Ich erinnere mich z. B. an einen sehr schön aufgemachten Bildband mit dem Titel „Die großen Entdecker“. In dem gab es tolle, abenteuerliche Geschichten mit großen bunten Illustrationen, die mich zum Staunen und zum Träumen anregten. Oder an den dicken „Wälzer“, in dem „Die schönsten Tiergeschichten aus aller Welt“ – zusammengestellt waren. Die haben mich damals bestens unterhalten! Ich habe mich immer darauf gefreut, wenn ich mich nach der Bescherung mit meinen Büchern in eine ruhige Ecke zurückziehen konnte. Aus der jetzigen Perspektive wirkt das schon fast ein bisschen „spleenig“. Und so teilen meine Kinder diese Begeisterung für Bücher, vor allem auch für die damit verbundenen sinnlichen Eindrücke, eher weniger. Mittlerweile gibt es andere Medien, die ihnen näher liegen und ich gehöre bestimmt nicht zu denjenigen, die meinen, dass früher alles besser war. Und doch passt es für mich ganz gut zu dem, was in der heutigen Zeit wieder „en vogue“ ist – das achtsame Erleben des Augenblicks.

 

Im Augenblick

Ich glaube, das ist es auch, was sich die meisten Menschen vom Weihnachtsfest erhoffen – wieder Kontakt zu bekommen mit dem Gefühl, das sie als Kind bei der Bescherung hatten: nichts ist wichtiger als das, was jetzt gerade passiert! Ganz versunken zu sein in diese Atmosphäre der Freude und der Besonderheit des Augenblicks. Natürlich wissen wir als mittlerweile Erwachsene alle, dass das eine hohe Erwartung an uns und an unsere Mitmenschen ist. Wir sind es im Alltag gewohnt, genau das Gegenteil davon zu tun. Und doch versuchen wir in unserer Familie „günstige Voraussetzungen“ dafür zu schaffen, d. h. vor allem, Handys und PC auszuschalten, gemeinsam zu singen, zu essen und zu spielen. Und wenn es denn keine Bücher sind, gibt es immer mindestens ein sinnliches Geschenk für die Kinder. Das sind dann zwar manchmal eher die Geschenke des zweiten Blicks, aber meistens kommt ihre Zeit dann doch etwas später.

Dankbar

An dieses Weihnachten werden wir uns bestimmt für den Rest unseres Lebens erinnern. Es ist dieses Mal sehr zwiespältig, weil wir uns über das freuen, was wir haben, es aber gleichzeitig so viel Leid bei anderen gibt. Ich kann mir vorstellen, dass es bei diesem Weihnachtsfest ein Gefühl gibt, das wir mehr als sonst wahrnehmen können: „Dankbarkeit.“

Ich wünsche allen Lesern eine besinnliche und achtsame Weihnachtszeit und freue mich auf ein neues Jahr mit Ihnen!

Liebe Grüße auch von meinen lieben Kolleginnen von der Kulturredaktion

Jochen Brems

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